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vertreten durch 1. Vorsitzende: Gerti Stiefel - Verantwortlicher gemäß § 55 Abs. 2 RStV: Ewald Nägele
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Alles was Recht ist
Investitionsbeschleunigungsgesetz (InvBeschlG) und EEG-Novelle
Alle Jahre wieder stehen Änderungen in den Gesetzeswerken zur Debatte. Man hat den Eindruck, dass, wenn
schon der Markt oder die Bürger nicht die von der Politik erforderlichen Schritte freiwillig gehen, dann wird in aller
Hektik an einem Gesetzeswerk gestrickt, das die Wirtschaft in die vermeintlich richtige Richtung zwängt.
Da es offensichtlich immer schwieriger wird, den Windkraftausbau zügig voranzutreiben und zudem noch von Umweltverbänden
Urteile erwirkt wurden, die eine mangelnde Rechtslage bei den Genehmigungen aufdeckten, sieht sich die Bundesregierung
genötigt, hier etwas nachzuhelfen.
Aus diesem Grund wurde das Investitionsbeschleunigungsgesetz geboren. Darin regelt der Artikel 3 den Wegfall der auf-
schiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an
Land. Hierdurch soll eine Verfahrensbeschleunigung bezweckt werden, um die Ausbauziele für Windkraft an Land zu erfüllen.
Gleichzeitig soll das Raumordnungsgesetz dahingehend geändert werden, dass Raumordnungsverfahren nur im Einzelfall
angeordnet werden sollen. Es ist bereits jetzt gängige Praxis, dass nur einzelne Anlagen beantragt werden, um eine Um-
weltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu umgehen. Die Durchführung von raumbedeutenden Maßnahmen hat jedoch immer
gravierende Umweltauswirkungen, insbesondere bei mittlerweile über 250m hohen Windkraftanlagen. Eine Entscheidung im
Einzelfall, die womöglich noch politisch motiviert ist, würde die Gesamtwirkung des Windkraftausbaus auf die Umwelt nicht
erfassen.
Selbst die aktuelle Regelung aus 1999 wonach erst ab zwanzig Anlagen eine UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen
ist, ist in keiner Weise verhältnismäßig, da nur eine einzige heute übliche Großanlage bereits so viel Fläche überstreicht wie in
1999 zwanzig durchschnittlich große Anlagen. Damit fehlt dem Gesetzesentwurf auch insoweit jegliche fachliche Grundlage.
Unverhohlen wird damit aufgezeigt, dass Umwelt-, Natur- und Gesundheitsschutzbestimmungen und die daraus abgeleiteten
Möglichkeiten, sich auf diese zu berufen, einer rein politischen Zielsetzung geopfert werden sollen. Dieses Vorgehen widerspricht
für uns der in der Verfassung festgelegten Schutzpflicht und ist mit unserem Rechtsstaatsverständnis unvereinbar.
Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat wichtiger denn je ist und dringend gestärkt werden
muss, halten wir dieses Gesetzesvorhaben für höchst bedenklich. Der Windpotentialatlas der Landesanstalt für Umwelt in
Baden-Württemberg (LUBW) zeigt, was auf uns zukommen wird. Wenn das Investitionsbeschleunigungsgesetz in der Form
umgesetzt werden soll, geht es noch schneller.
Die Bürger wollen keine industrialisierten Landschaften durch Windkraftanlagen. Dies zeigt der steigende Widerstand gegen
Windkraftpläne. Viele berichten uns, wenn sie in Hessen oder Brandenburg unterwegs waren, von den entsetzlichen Zer-
störungen der Landschaften und der Lebensräume für Menschen und Natur dort, und hoffen, dass es in Baden-Württemberg
nicht dazu kommt. Deshalb darf das Investitionsbeschleunigungsgesetz für den Windkraftausbau nicht zur Anwendung kommen.
Der Gesetzentwurf hat damit sehr wohl negative Auswirkungen "auf Verbraucherinnen und Verbraucher; gleichstellungspolitische
und demografische Auswirkungen"
Die Forderung, die wir an die Politik haben, muss sich an folgendem Urteil messen können:
"Im Grundsatz muss der Störer darlegen und beweisen, dass sich eine Beeinträchtigung nur als unwesentlich darstellt" (BGH,
Urteil vom 20.11.1992 - V ZR 82/91 - BGHZ 120, 239, 257; BGH, Urteil vom 08.10.2004, BauR 2005, 104-106; Wilhelmi in
Ehrmann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 906, Rn. 19 a).
Deshalb hat der Verein Mensch Natur gemeinsam mit der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT das Bundesministerium, unsere
Abgeordnete und die Ministerpräsidenten der Länder angeschrieben, dem InvBeschlG in dieser Form nicht stattzugeben.
Siehe auch hier.
Fast zeitgleich erfolgte die Novellierung des EEG. Auch hier versucht man den Druck zu erhöhen.
Die Aussage, "Die Prüfung des Gesetzes im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse der Menschen hat ergeben,
dass keine wesentlichen Beeinflussungen erfolgen." muss für die informierten Bürger und erst recht für die betroffene
Landbevölkerung wie Hohn erscheinen. Mit dem weiteren Ausbau der Windenergie in der Fläche und Siedlungsnah (1.000 m,
ggf. auch darunter), sowie durch den beabsichtigten Zubau in Schwachwindgebieten, verschlechtert sich das Lebensniveau im
ländlichen Raum erheblich.
Wir stellen die durch das Gesetz behauptete, durchweg positive Auswirkung auf die gesamtdeutsche Umwelt und die Stärkung
der natürlichen Lebensgrundlagen grundsätzlich in Frage. Durch den weiteren Zubau "neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen"
werden wesentliche Eingriffe in den Natur- und Artenschutz vorgenommen.
Ein wesentlicher Passus ist die Aufnahme des Absatz 5 in § 1 des EEG 2021:
“(5) Die Nutzung erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung liegt im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit."
Mit der beabsichtigten Formulierung soll scheinbar jeder berechtigte und legitime Widerstand mit verfahrensrechtlichen Mitteln
verhindert werden. Das würde praktisch dazu führen, dass zukünftig jegliche gebotene Güterabwägung im Verfahren unterbleibt,
mit dem möglichen Sofortvollzug "feststehende" Tatsachen (Bauwerke) geschaffen werden und im begründeten Einzelfall auch
keinen gerichtliche Prüfung und Entscheidung mehr greift, um unangemessenen Schaden zu verhindern.
Bei der Nutzung "erneuerbarer Energien" zur Stromerzeugung kann weder von der Abwendung einer Gefahr im Verzug,
drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum oder einer vorsorglichen bezeichnete Notstandsmaßnahme aus-
gegangen werden. Der unverantwortliche, leichtfertige und beschleunigte Ausbau "Erneuerbarer Energien" stellt eher ein
zunehmende und ernsthafte Gefahr für das Stromnetz ("Blackout") dar, und erfordert daher erhöhte Aufwendungen.
Gemeinsam mit der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT haben wir deshalb die Gesetzesnovelle von einer renommierten
Rechtsanwaltkanzlei untersuchen und ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Unsere Vermutung,
dass die EEG-Reform nicht rechtskonform zu EU-Gesetzen ist, hat sich bestätigt.
Die Errichtung von Windkraftanlagen zu öffentlichen Sicherheitsinteressen zu erheben, zielt direkt darauf ab, das im Natur-
schutzgesetz und im EU-Recht verbriefte Tötungsverbot von geschützten Arten auszuhebeln.
Wir haben alle Bundestagsabgeordnete über das Rechtsgutachten informiert und unsere Bitte verstärkt, dieser dem EU-Recht
zuwiderlaufenden Novelle des EEG nicht zuzustimmen.
Ein weiteres Gutachten auf den Weg gebracht
Die Interessengemeinschaft Gegenwind Frettertal hat ein weiteres ausführliches Rechtsgutachten erstellen lassen.
Es behandelt ausführlich die Aspekte der EEG-Novelle 2021 und des Investitionsbeschleunigungsgesetzes. Unter
anderem geht es ein auf
•
die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
•
den Schutz der Biodiversität
•
den Artenschutz
•
die Klimaziele und
•
die zugrundeliegenden Wissenschaft
Mit dem folgenden Button gelangen Sie zur Seite der IG Gegenwind Frettertal. Dort können Sie das Gutachten herunterladen.
Grundgesetz und Länderverfassung
Auch sehen wir bei den beabsichtigten Gesetzeswerken einen Verstoß gegen die Vorgaben der Verfassung der
Länder und gegen das Grundgesetz.
So legt die Landesverfassung Baden-Württemberg in Anlehnung an das Grundgesetz fest:
"Artikel 1:
(1) Der Mensch ist berufen, in der ihn umgebenden Gemeinschaft seine Gaben in Freiheit und in der Erfüllung des christlichen
Sittengesetzes zu seinem und der anderen Wohl zu entfalten.
(2) Der Staat hat die Aufgabe, den Menschen hierbei zu dienen. Er fasst die in seinem Gebiet lebenden Menschen zu einem
geordneten Gemeinwesen zusammen, gewährt ihnen Schutz und Förderung und bewirkt durch Gesetz und Gebot einen
Ausgleich der wechselseitigen Rechte und Pflichten.
Artikel 3a:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der
verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende
Gewalt und die Rechtsprechung.
Artikel 3b:
Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geachtet und geschützt.
Artikel 3c:
(2) Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege
des Staates und der Gemeinden."
Das Grundgesetz der Bundesrepublik regelt über den Artikel 20a:
"Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im
Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die
vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung"
Dazu erklärt Prof. Dr. Murswiek in einem Vortrag am 22.10.2019 beim Wirtschaftsrat Bayern in München unter dem Titel
"Klimaschutz und Grundgesetz. Wozu verpflichtet das ‚Staatsziel Umweltschutz'?":
"Unabhängig von Fragen gerichtlicher Überprüfbarkeit sind Regierung, Parlament und Verwaltungsbehörden an Art. 20a GG
gebunden. Es ist besorgniserregend, dass Politiker sich über geltendes Recht bedenkenlos hinwegsetzen, sofern nicht
unmittelbar eine Korrektur durch die Gerichte droht. Wenn Staatsorgane nicht bereit sind, geltendes Verfassungsrecht zu
beachten, erodiert der Rechtsstaat. Und was soll man davon halten, dass Politiker immer neue Rechte und Staatsziele in die
Verfassung schreiben wollen, wenn sie nicht einmal bereit sind, bestehende verfassungsrechtliche Pflichten zu beachten, soweit
sie ihren gegenwärtigen politischen Zielen entgegenstehen? Die Verfassung darf nicht zu einem Schaukasten politischer
Symbole degenerieren, die man stolz vorzeigt, die aber keine Konsequenzen für die Rechtsanwendung haben. Wenn die
Regierung sich folgenlos über geltendes Verfassungsrecht hinwegsetzt, weil - wie im Fall des Art. 20a GG - gerichtliche Kontrolle
nicht stattfindet, muss eine andere Kontrollinstanz die Verfassung verteidigen: die kritische Öffentlichkeit. Zur Öffentlichkeit
gehören wir alle. Und zur Öffentlichkeit als Kontrollinstanz gehört nicht zuletzt die "Vierte Gewalt", gehören die Medien, zu deren
Aufgaben es auch gehören sollte, die Regierung dort, wo es notwendig ist, an die Pflicht zur Beachtung der Verfassung zu
erinnern. Wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung für unsere Umwelt. Und wir alle haben eine gemeinsame
Verantwortung für unsere Verfassung."
Der Verein Mensch Natur e.V. sieht sich als aktiver Bestandteil der "kritischen Öffentlichkeit", von der Prof. Dr. Murswiek spricht,
als Kontrollinstanz gegen eine ungehemmte Naturzerstörung durch Windkraftanlagen, auch durch eine Bürokratie, die die
Zerstörung unreflektiert zu forcieren bereit ist.
Verwaltungsgerichtshof kippt Planungen des Regionalverbandes
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat die Windkraftplanungen des Regionalverbands
Mittlerer Oberrhein für unwirksam erklärt. Eine Revision ist nicht zugelassen.
Das Urteil zeigt, dass die kritischen Bürger mit ihren Argumenten völlig richtig liegen. Naturschutz, Artenschutz und
der Schutz der Menschen haben letztendlich über die Eigennützigkeit der Windkraftplaner gesiegt.
Die liebenswerten Landschaften im Nordschwarzwald um Baden-Baden bei Geroldsau, Malschbach, Oberbeuern, Schmalbach,
Neuweier, Bühlertal und die betroffenen Teile des Murgtals bleiben lebenswert inmitten einer intakten Natur. Wettersberg und
Hummelsberg dürfen das bleiben, was sie sind: Wunderschöne Wälder, idyllische Landschaften.
Das sechs Jahre andauernde Engagement der dortigen Bürgerinitiativen hat sich gelohnt. Der Regionalverband Mittlerer Ober-
rhein wird nun neu planen müssen, das wird dauern.
Hier zur Pressemitteilung der Anwaltskanzlei Caemmerer-Lenz: